Rahab – Eine Lebenskünstlerin mit Durchblick

Die Story:

Rahab ist auf den ersten Blick keine, mit der brave Israeliten zu tun haben sollten: Erstens ist sie keine „anständige Frau“, sondern eine Prostituierte. Und zweitens ist sie keine Israelitin, sondern eine Kanaanäerin. Also eine von denen, die die Israeliten erst einmal vertreiben müssen, wenn sie nach 40 Jahren Wüstenwanderung in das „gelobte“ Land Kanaan einziehen wollen. Rahab ist eine Hure, die an andere Götter glaubt – und doch schafft sie es sogar in den Stammbaum Jesu. Warum?

Die Kanaanäer freuen sich nicht unbedingt darauf vertrieben zu werden und sind daher nicht besonders gut auf die Israeliten zu sprechen. Und sie sind ein starkes Volk. Deshalb schicken die Israeliten vorsichtshalber zwei „Kundschafter“, also Spione, ins Land, um die Lage zu sondieren. Sehr geschickt stellen sie sich aber wohl nicht an, denn der König von Jericho weiß nach wenigen Stunden, dass sich zwei feindliche Spione im Land aufhalten – und zwar bei Rahab. Doch die verrät sie erstaunlicherweise nicht, sondern versteckt sie vor ihren eigenen Landsleuten und rettet ihnen das Leben. Warum?

Rahab ist eine Grenzgängerin. Sie steht nicht nur gesellschaftlich am Rand, sie wohnt auch an der Stadtgrenze, ihr Haus ist Teil der Stadtmauer. Sie sieht mehr als nur ihren kleinen Bereich, sie hat in jeder Hinsicht den Über- und Durchblick. Jeder weiß in Jericho, was mit den Ägyptern am Roten Meer geschehen ist und hat Panik deshalb. Aber sie kapiert schneller als ihre Landsleute und schneller als einige von den Israeliten selbst, dass es der Gott Israels ist, der den Israeliten so viel Macht verleiht. Diesem Gott ist alles zuzutrauen, das ist ihr, der „Heidin“, klar. Und sie merkt sofort, dass es besser ist, sich mit einem Volk, das so einen Gott hat, zu arrangieren.

Sie schlägt also den Spitzeln einen Deal vor: Sie hilft ihnen bei der Flucht, dafür wird ihr Leben und das von ihrer Familie geschont, wenn Jericho gestürmt wird. Die beiden versprechen es. Rahab seilt sie über eine „purpurrote Schnur“ aus dem Fenster ab und gibt ihnen noch gute Tipps mit auf den Weg.

Die Männer entkommen und halten ihr Versprechen: Als Jericho erobert wird (spannende Geschichte, unbedingt nachlesen!), versammelt Rahab ihre ganze Familie bei sich und markiert ihr Haus mit der purpurroten Schnur. Das Haus bleibt stehen und Rahabs Familie lebt seither mit den Israeliten friedlich im Land.

Die Botschaft:

  • Gott hat ein Faible für Lebenskünstler/innen – für Leute, die nicht angesehen und „in Ordnung“ sind und sich durchschlagen müssen.
  • Manchmal verstehen und tun „Nichtgläubige“ mehr von dem, was Gott will, als „Gläubige“.
  • Wer Gott alles zutraut und auf ihn vertraut, hat verstanden, was Sache ist.

Zum Weiterlesen:

  • Jos 6: Hier lest ihr, wie Jericho erobert wurde. Achtung! Es waren gar keine Posaunen, die die Mauern umgeblasen haben, sondern …?
  • Lk 7,32-36: Hier steht, wie Jesus mit Leuten am Rand der Gesellschaft umging, auch mit zwielichtigen Frauen: Da will eine „Sünderin“ Jesus die Füße salben.
  • P.S.: Wenn ihr zufällig Psalm 87, Psalm 89, Jesaja 30 und 52 und Ijob 9 und 26 lest: Dort wird davon gesprochen, dass Rahab vernichtet wurde. Keine Sorge, das hat nichts mit unserer Rahab zu tun, – es handelt sich um eine Stadt, die man im Hebräischen auch anders (rachab) schreibt.

Aktuell im Lesejahr:

  • Weihnachten (Mt 1,5): Zu Weihnachten hören wir vom Stammbaum Jesu, da wird Rahab als eine von vier Frauen erwähnt. Sie ist die Ururoma von König David und die Ur(x27)oma von Jesus.

Elisabeth Birnbaum, Direktorin des Österreichischen Katholischen Bibelwerks