Judas – Wo ist dein Bruder?
Die Story:
Wie wurde aus Judas Iskarioth, dem jungen gläubigen Juden aus einem Ort namens Karioth (daher der Beiname Iskarioth), der schlimmste Verräter der Geschichte? Wir wissen nicht viel über ihn, aber vielleicht verlief sein Leben ja folgendermaßen:
Eines Tages begegnete er Jesus. Dieser forderte ihn auf sich ihm anzuschließen und Judas folgte dem. So ging er zusammen mit Jesus und einigen anderen Jüngern durch die Dörfer und Städte, verkündete die Nähe Gottes und half den Kranken, Armen und Ausgestoßenen. Von Anfang an gehörte er zu einem besonders engen Kreis von zwölf Jüngern, die Jesus selbst auserwählt hatte, um seine Botschaft unters Volk zu bringen und die er sogar als „Brüder“ bezeichnete.
Im Jüngerkreis fiel Judas nicht weiter auf. Mit der Zeit begannen aber Zweifel an Judas zu nagen: ist Jesus wirklich der erwartete Messias? Wann hört er endlich mit dem Vorgeplänkel auf und greift richtig durch?
Als sie nach Jerusalem kamen, war es für Judas klar: das ist der Ort der Entscheidung. Der Einzug mit der jubelnden Menge erschien zunächst vielversprechend. Doch dann passierte wieder nichts. Heimlich setzte sich Judas von der Gruppe ab und sprach mit den Hohepriestern über Jesus.
Dann fand ein Mahl statt, das Jesus bewusst als sein Abschiedsmahl feierte. Auch Judas war dabei, obwohl Jesus schon von seinen Zweifeln und Gedanken wusste. Jesus wusch auch ihm die Füße als ein Zeichen und Beispiel seiner dienenden Liebe. Riss Judas der Geduldsfaden? War er enttäuscht, weil Jesus nicht gegen die römische Fremdbesatzung vorging? Wir wissen nicht, was letztlich sein Motiv war. Fakt ist, dass er sich an diesem Abend von Jesus und den anderen Jüngern entfernte und seine eigenen Pläne verfolgte.
Er ging zu den Hohepriestern, informierte sie über den Aufenthaltsort Jesu und begleitete einen Trupp der Tempelwache dorthin. Mit einem Kuss verriet er Jesus im Garten Getsemani. Jesus wird festgenommen, verhört und verurteilt. Und Judas? Ihn reut seine Tat. Jesus scheint nicht so ein Messias zu sein, wie er sich erwartet hatte, denn dann hätte er spätestens im Verhör sich zu erkennen geben und durchgreifen müssen. Aber Jesus tat nichts, sondern nahm alles an, was passierte. Judas wurde klar, dass er etwas Falsches getan hat. Deshalb versuchte er es wieder gut zu machen und das Geld zurückzubringen. Doch es war zu spät, das Schicksal Jesu war bereits besiegelt.
Judas verzweifelte. Er wusste nicht mehr was er mit seiner Schuld tun sollte. Unter den Jüngern konnte er sich nicht mehr zeigen, nach dem was er getan hatte. Und Jesus war in Gefangenschaft. Judas verwünschte seine eigene Existenz. Die Schuld lag so schwer auf ihm, dass er keinen Ausweg mehr sah. Er nahm sich das Leben.
Keine Frage, Judas hat einen schweren Fehler begangen. Er hat seinen Freund und Bruder verraten. Doch auch Petrus hat Jesus verleugnet. Das Tragische an Judas ist, dass er keine Vergebung findet, dass er die Geduld und Hoffnung verliert und aufgibt. Er stirbt noch vor Jesus. Wenn er ein paar Tage länger gelebt hätte, hätte er die Auferstehungsbotschaft hören können. Und vielleicht wäre der auferstandene Jesus sogar zu ihm gekommen und hätte ihm vergeben. Judas hat aufgegeben. Und Gott? Hat er Judas aufgegeben? Vielleicht geschah nach dem Tod, was in diesem Leben nicht mehr möglich war: dass Judas und Jesus einander begegnet sind und die Barmherzigkeit Gottes auch Judas erreicht hat.
Die Botschaft:
- Verrat ist keine Kleinigkeit, sondern ein krasser Vertrauensbruch. Versuche Probleme und Konflikte anders zu lösen – in vielen Fällen ist ein direktes Gespräch der beste Weg.
- Wenn ein Freund einen Fehler macht und schuldig ist, wende dich nicht von ihm ab. Bleibe bei ihm und sei bereit ihm zu vergeben.
- Wenn dich etwas belastet: du bist nicht allein. Vertraue dich jemandem an (FreundIn, LehrerIn, Telefonseelsorge,…). Es gibt Menschen, die dir in scheinbar ausweglosen Situationen zur Seite stehen und dir helfen.
- Manchmal handeln andere Menschen (oder auch Gott) nicht so, wie du es erwartest. Kannst du geduldig mit ihnen sein?
Zum Weiterlesen:
- Mk 3, 13-19: Judas ist unter den Zwölf, die Jesus auserwählt.
- Mk 14, 10-11: Judas entscheidet sich Jesus auszuliefern und spricht mit den Hohepriestern darüber.
- Apg 1,15-26: Hier wird eine andere Version vom Tod des Judas erzählt: er stirbt durch einen Unfall. Damit die Zwölf wieder vollständig sind, wird Matthias zum Apostel gewählt.
Aktuell im Lesejahr:
- Gründonnerstag (18.04.2019): Jesus wäscht seinen Jüngern die Füße – und auch Judas Iskarioth ist unter ihnen. Obwohl Jesus schon weiß, dass es Judas ist, der ihn ausliefern wird, wäscht er ihm trotzdem die Füße. (Joh 13,1-15)
Eva-Maria Steinlein, Referentin KJÖ