Hildegard von Bingen

Ihr Leben:

Hildegard war eine sehr talentierte und gläubige Rebellin. Als zehntes Kind ihrer Eltern wurde sie von Anfang an von ihnen auf ein Leben im Kloster vorbereitet. In ihrer Jugend wurde Hildegard mit zwei anderen Frauen in einem kleinen Haus eingeschlossen, wo sie nicht vom Gebet abgelenkt wurden. Doch Hildegard begann, die Bestimmungen zu lockern: weniger strenges Fasten, kürzere Gebete und Gottesdienste. Mit der Zeit reifte in ihr der Entschluss, ein eigenes Kloster zu gründen. Das führte zu einigen Auseinandersetzungen, weil viele keine Veränderungen wollten und die Frauen lieber eingeschlossen sahen.
Hildegard jedoch scheute keine Konflikte. Sie predigte den geistlichen Amtsträgern, prangerte Reichtum, Geiz und Faulheit an und forderte von ihnen Authentizität. Sie trat selbstbewusst auf, setzte durch ihre eigenen Denkansätze neue Impulse und sagte als Frau ihre eigene Meinung – und das zu einer Zeit, wo Frauen die Fähigkeit zum eigenständigen Denken auch im religiösen Bereich allzu oft abgesprochen wurde. Bestärkt wurde sie dabei durch ihre zahlreichen Visionen. Doch Hildegard war nicht nur religiös gebildet, sondern ein richtiges Multitalent ihrer Zeit: sie war gefragte medizinische Expertin, sie war Naturwissenschaftlerin, Komponistin, Dichterin, Beraterin wichtiger Persönlichkeiten und Seelsorgerin.

Spiritueller Impuls: Die Gerechtigkeit ist wichtiger als der Gehorsam.

Hildegard befolgte in ihrem Leben nicht alles, was andere von ihr verlangten – selbst wenn die Anweisungen von Bischöfen kamen. Dabei ging es ihr nicht um ihren eigenen Vorteil, sondern darum, gerecht zu handeln. So gelang es ihr, sich selbst treu zu bleiben. Auch heute stehen Gerechtigkeit und Gehorsam manchmal im Widerspruch. Was Autoritäten, Gesetze, Regeln oder Gewohnheiten fordern, ist nicht immer gerecht. Wie bleibst du dir selbst treu?

(Eva-Maria Steinlein, Referentin KJÖ)