Aaron – und die vergessenen Geschwister

Die Story:

In der Bibel wird viel über Geschwister gesprochen, meistens sind das Brüder wie Kain und Abel, Jakob und Esau, die zwölf Söhne Jakobs oder auch die Könige David und Salomo, die Geschwister haben. Oft ist es einer der jüngeren Brüder, der besser mit Gott zurechtkommt und deshalb ist er dann auch wichtiger in der Bibel. Bei Jesus wissen wir nicht genau, ob er Geschwister oder nur Cousins hatte, außer von Johannes dem Täufer und Jakobus kennen wir nicht einmal ihre Namen.

Auch im Buch Exodus haben wir Geschwister: Mirijam, Mose und Aaron, um den es heute gehen soll. Ganz klar ist Mose der berühmte Prophet, der Mann, dem die Tora geoffenbart wurde, der das Gesetz kennt und Israel aus Ägypten geführt hat. Seine zwei Geschwister gehen eher unter. Ihre Geschichte wird wenig beachtet und erzählt – es sind untold stories.

Dabei wird Aaron 330x im Alten und 5x im Neuen Testament erwähnt. Er ist damit auf Platz 4 der meistgenannten Figuren der Bibel, nach „Gott/JHWH“ (ca. 4.500x), „Jesus“ (ca. 900x) und „Mose“ (ca. 850x).

Aaron wächst als Sklave in Ägypten auf und gehört dort zu den Leviten, also den Priesterfamilien. Als Mitglied dieser Berufsgruppe ist Aaron schon früh daran gewöhnt vor Versammlungen zu sprechen. Deshalb sagt Gott auch zu Mose, dass er seinen Bruder um Hilfe bitten soll, wenn er mit dem Pharao reden muss.

Ab diesem Zeitpunkt hilft Aaron Mose immer wieder dabei, anderen Leuten die Botschaft Gottes verständlich zu machen. Mose bekommt die komplizierten Gesetze und Aaron erklärt sie dem Volk. Es fällt Aaron auch leichter, Gottesdienste zu feiern, deshalb bekommt er später die Aufgabe, am Gotteszelt Dienst zu tun. Er wird zum Vorbild aller späteren Priester und zum ersten Hohepriester von Israel. Alle Priester Israels heißen später „Söhne Aarons“.

Wie kann so eine wichtige Person vergessen werden? Aaron steht natürlich im Schatten seines jüngeren Bruders. Aus der Bibel wissen wir außerdem, dass er immer wieder Fehler macht, weil er Gott nicht so gut kennt wie sein Bruder – sein größter Fehler ist das goldene Kalb. Der wichtigste Grund ist aber, dass Aaron ein guter Mann der zweiten Reihe ist. Er erklärt, organisiert und macht seine Arbeit. Nur, wenn er mal einen Fehler macht oder etwas besonders Wichtiges tut, fällt auf, wie wichtig er eigentlich ist. Seine Aufgabe ist es, Moses den Rücken freizuhalten und darauf zu achten, dass die Gesellschaft funktioniert und das Volk seine Reise nach Israel gut fortsetzen kann. Auch als er seinen größten Fehler macht, vergibt Gott ihm und sucht sich keinen neuen Helfer. Aaron kann deshalb ein Vorbild für uns sein. Er hat keine Angst, Fehler zu machen und sie zuzugeben, weil Gott ihm immer zutraut, dass er es gut machen wird. Aaron weiß, dass nicht jeder ganz vorne stehen muss, damit die Welt funktioniert, sondern dass jeder seine eigene Aufgabe und damit seinen eigenen Platz in der ersten Reihe hat.

Die Botschaft:

  • Jede/r einzelne von uns hat besondere Stärken, weshalb Gott auch für jede/n eine eigene Berufung hat.
  • Fehler zu machen (und sie zuzugeben) ist eine Stärke, denn sie zeigen, dass wir uns etwas getraut haben und helfen uns, zu echten Persönlichkeiten heranzureifen.
  • Wir alle sind Hauptpersonen unserer eigenen Geschichte. Wie willst Du sie nutzen?

Zum Weiterlesen:

  • Ex 4,27-30; 6–9: Aaron hilft Mose mit dem Pharao zu verhandeln
  • Ex 32-34: Die Geschichte vom goldenen Kalb
  • Num 20: Der Tod Aarons

Aktuell im Lesejahr:

  • Apg Ex 24,3-8: Diese Geschichte hat auf den ersten Blick nichts mit Aaron zu tun, er wird nicht einmal erwähnt. Mose schließt im Auftrag Gottes einen Bund mit dem Volk Israel, einen Bund, der durch das Blut eines Opfertiers bindend sein soll. Aaron, der als erster Hohepriester Israels gilt, wird dieses Opfer immer wiederholen. In unserem Kirchenjahr gehört der Text zum Fronleichnamsfest. Dort feiern wir den „Leib Christi“ in Form von Brot und Wein. In diesem Zeichen und seinem eigenen Tod hat Jesus mit uns Christen einen Bund geschlossen. Zu Fronleichnam feiern wir Gottes Bund mit uns, so wie wir es von Aaron gelernt haben.

Benedikt Collinet, Universitäts-Assistent Theologische Fakultät Wien