Interview mit Raphael, Zivildiener bei der Katholischen Jugend

KJ: Wie waren deine Erwartungen an den Zivildienst bei der Katholischen Jugend und wurden sie erfüllt?

Raphael: Eigentlich habe ich mich beworben, weil die Lage so günstig war (lacht). Es hat sich dann zufällig herausgestellt, dass mein Chef mein unmittelbarer Nachbar ist. Er hat sich in unserer Pfarre umgehört. Ich war in meiner Jugend in der Kirche aktiv und es haben sich noch Leute an mich erinnert. Das war dann entscheidend, dass ich den Job bekommen habe.

Eigentlich war ich der Meinung Zivildienst sei ein notwendiges Übel, das man als männlicher österreichischer Staatsbürger über sich ergehen lassen muss, das man halt absitzt und versucht, so gut es geht die Zeit zu vertreiben.

Dann hat sich aber sehr schnell herausgestellt, bei Veranstaltungen wie der „Nacht der 1000 Lichter“ und Orientierungstagen für Schulkassen, die ich miterlebt habe, dass der Job extrem cool ist. Natürlich habe ich auch mal den Geschirrspüler ausgeräumt, Kaffee geholt, geputzt und etwas montiert, aber ich habe sehr schnell einen guten Einblick in die Jugendarbeit bekommen. Das habe ich vorher nie gemacht. Wenn ich gearbeitet habe, dann immer mit Leuten, die älter waren als ich. Jetzt hatte ich mit Leuten zu tun, die ein paar Jahre jünger waren. Der Zivildienst war nicht „langweilig und zach“ wie erwartet, sondern inspirierend, und extrem hilfreich für die persönliche Weiterentwicklung und Charakterbildung. Ich habe coole neue Sachen gelernt, Einblick bekommen, in Bereiche, mit denen man sonst im ganzen Leben nicht in Berührung kommt.

 

KJ: Drei Worte, die dir spontan zu KJ einfallen?

Raphael: Divers, bunt, motivierend.

 

KJ: Was war dein lustigster Moment?

Raphael, lachend: der taugt nicht fürs Rupertusblatt! Was aber immer extrem lustig ist, das sind so spontane Sprüche von Jugendlichen, die einem so zufliegen.

 

KJ: Was war dein bewegendster Moment?

Raphael: Das war nach einem tragischen Ereignis. Wir haben für Jugendliche einen Trauerraum aufgebaut. Da hab ich zum ersten Mal zu einhundert Prozent verstanden, warum wir solche Dinge machen. Das kann wirklich helfen. Ich hoffe natürlich, dass so etwas nicht noch einmal passiert. Aber sollte ich jemals wieder in eine solche Situation kommen, dann werde ich das genau gleich angehen, versuchen so gut es geht zu helfen und dabei das richtige Maß zu finden. Das war sehr bewegend, das werde ich für immer mitnehmen.

 

KJ: Hat sich dein Verhältnis zur katholischen Kirche durch den Zivildienst verändert?

Raphael, sehr entschieden und ohne zu zögern: Ja, auf jeden Fall! Es hat sich extrem verbessert. Vorher war ich der klassische „Weihnachts- und Osterkirchgänger“. Ich kannte aber auch nur den „gewöhnlichen“ Gottesdienst. Den bin ich abgesessen und bin dann wieder nach Hause gegangen. Jetzt habe ich gesehen, welche Weite Kirche hat und was es für coole Angebote gibt. Ich werde auch in Zukunft viel mehr machen, mithelfen, nach Angeboten Ausschau halten. Ich bin froh, dass ich durch den Zivildienst so Vieles kennen gelernt hab.

 

KJ: Hat sich dabei auch dein Glaube verändert?

Raphael: Mein Glaube ist gleich geblieben. Gläubig war ich ja auch als Gelegenheitskirchgänger. Was sich aber verändert hat, ist wie der Glaube jetzt nach außen wirkt. Vor meiner Zivildienstzeit habe ich meinen Glauben für mich behalten. Das ging nur mich und meine Familie etwas an. Jetzt bin ich so weit, dass ich meine Freunde einlade: „Hey, wir haben da was Cooles geplant, wollts da nicht mal vorbeischauen?“ Erst letzte Woche habe ich beim Fortgehen jemandem erzählt: „Eine Kollegin hat ein Video gedreht, für die Matura, schau dir das mal an.“ Nach außen bin ich viel offener und einladender in die Kirche herein.

 

KJ: Du kennst das Lied „One of us“? Da heißt es in einer Zeile sinngemäß: „Was würdest du Gott fragen, wenn du ihm eine Frage stellen könntest?“

Raphael: Uh, das ist schwierig. Ja, ich glaub, das ist die klassische Frage „Was passiert nach dem Tod?“

Vielleicht auch noch: „Welchen Unterschied macht ein religiös gelebtes Leben?“

 

KJ: Wenn du versuchen würdest, was natürlich schwer ist, aber so gut es eben geht, für deine Generation zu sprechen, wo ist in der katholischen Kirche „Luft nach oben“?

Raphael: Ich würde mir wünschen, dass sich die Struktur ändert, dass es nicht immer noch jemanden „oben drüber“ gibt. Weil ich glaube, dass viele Dinge die uns am Fuß der Pyramide beschäftigen, nach oben hin verloren gehen. Ich denke für meine Generation wäre es wichtig, dass nach außen hin signalisiert wird, es wird jede und jeder wahr- und angenommen. Man kann es vielleicht annähernd mit „mehr Demokratie“ bezeichnen.

Man könnte den alten Strukturen außerdem ein Stück weit entfliehen, indem man noch mehr raus geht aus den gewohnten Kirchenräumen, an ungewohnte Orte.

Angebot gibt es jedenfalls genug, finde ich, zumindest in der Stadt.

 

KJ: Warum sollte man außerdem Zivildienst, FSJ oder ein Praktikum bei der Katholischen Kirche machen?

Raphael: Mit den Kursen und Schulungen die man bekommt, weil man überall eingebunden wird, eröffnen sich Möglichkeiten auch nach der Zivildienstzeit für die KJ tätig zu sein, ehrenamtlich oder auf Honorarbasis, z.B. bei der Leitung von spiriCAMPs oder von Orientierungstagen für Schulkassen. Das ist extrem cool und das bewerbe ich auch so in meinem Bekanntenkreis.

 

KJ: Wieviel von 10 bekommt der Zivildienst bei der KJ von dir?

Raphael: Eine solide 9, wenn ich mich einer Nachkommastelle bedienen darf, dann sogar eine 9,4 oder 9,5. Ich würde die Entscheidung wieder genauso treffen.

 

Raphael, vielen lieben Dank für dieses Interview, besonders aber für die Zeit, die du bei uns verbracht hast. Du hast unsere Arbeit mit deinem Einsatz und deiner Person sehr bereichert!

 

 

Das Interview führte Yvonne Roßmann am 05.05.2023.

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